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Ahnenforschung Birgit Hüttebräucker
Damals in Herscheid

Der Herscheider Posaunenchor wurde 1921 gegründet

Von Birgit Hüttebräucker Juni 2021
Quellen:
Kirchenarchiv und Sonntagsblatt der Ev. Kirchengemeinde Herscheid

Der Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Herscheid konnte im Jahr 2021 auf eine 100jährige, wechselvolle Geschichte zurückblicken. Im Jahr 1921 entschlossen sich die Mitglieder, aus dem Herscheider Männer und Jünglingsverein, einem Vorläufer des heutigen CVJM, zur Gründung eines eigenen Posaunenchores.

Zahlreiche Aufzeichnungen, die ausführlich über diese Gründungszeit berichten, befinden sich im Sonntagsblatt der Evangelischen Kirchengemeinde Herscheid aus dem Jahr 1921.

Im ersten vorhandenen Eintrag am 13.März, bittet der damalige Ortspfarrer Adolf Schneider, der auch Vorsitzender des Jünglingvereins war, die Herscheider Gemeinde um Liebesgaben für die nicht unerheblichen Beschaffungskosten der Posaunen. Er rechnet damit, dass der Verein eine Summe von 1000 Mark bezahlen muss. Dass dieser Betrag zu niedrig berechnet war, zeigt sich schon wenige Wochen später, als am dritten April 1921 folgender Text im Sonntagsblatt der Evangelischen Kirchengemeinde Herscheid erscheint: Auch in unserer Gemeinde soll nunmehr ein Posaunenchor ins leben treten. Der evangel. Männer und Jünglingsverein, der denselben einzurichten im Begriff steht, wendet sich an die Gemeindeglieder mit der Bitte, ihm hierbei behülflich sein zu wollen. Die Kosten sind bei der allgemeinen Teuerung recht erheblich. Über 3000 Mark müssen aufgebracht werden. So wendet sich der Verein, der diese Unkosten natürlich nicht allein tragen kann, an die Opferwilligkeit aller. Wenn alle mithelfen, wird das Ziel spielend erreicht. Und wir sind überzeugt, daß die Gemeinde, die ja im Grunde den Nutzen von jeder treuen Vereinsarbeit haben wird, unseren Aufruf gern und willig folgen wird. Wir werden es Euch lohnen durch treues Ueben und bereitwilligst dienen,  im Gotteshaus und bei kirchlichen Feiern. Es werden im Auftrage des Männer – und Jünglingsvereins Mitglieder, die Berechtigung durch eine schriftliche Bescheinigung ausweisen können, vorsprechen. Sie wollen Interesse wecken, sowohl für den Posaunenchor als auch für die Vereinssache. Man nehme unsere Boten freundlich auf und möge unsere wichtige Sache unterstützen, nicht nur durch Gaben, die wir recht dankbar annehmen, sondern auch durch die persönliche Beteiligung am Vereinsleben zum Wohle unserer lieben Jugend.

posaunenchor herscheid
Der Herscheider Posaunenchor im Gründungsjahr1921.

Dieser Aufruf fiel anscheinend auf fruchtbaren Boden, denn schon im Juni gab der Schriftführer des Männer und Jünglingvereins bekannt, dass bei der Sammlung folgende Beträge eingenommen wurden: Im Bezirk Dorf 730 M. im Bezirk Ebbe 359 M. im Bezirk Danklin 216 M., Im Bezirk Schwarze Ahe 269 M., im Bezirk Neuemühle 125 M., im Bezirk Hüinghausen 102 M., im Bezirk Schönebecke 140 M., Im Bezirk Friedlin 128 M. im Bezirk Rärin 800 M., Herrn Paul Schulte in Verse, 100 M., Herrn Seegrewe 15 M. zusammen 2984 Mark. Weiter wird im Sonntagsblatt berichtet: Somit ist der Betrag für die bestellten 8 Instrumente glatt aufgebraucht. Dem Verein ist es ein herzliches Bedürfnis, allen denen aufs wärmste zu danken, die durch ihre Gabe ihr freundliches Interesse an unserer Arbeit bekundet haben. In den nächsten Tagen werden die Instrumente, die neu angefertigt werden mussten von Bielefeld ankommen. Dann soll es mit Eifer an die Uebung gehen. Die Generalversammlung beschließt, außer den bereits bestellten 8 Instrumenten noch zwei kleinere in Auftrag zu geben. Außerdem erklärt sich Generalversammlung bereit, auf Wunsch für Mitglieder, die ein eigenes Horn besitzen wollen, die vorläufige Anschaffung zu besorgen und das Geld sich ratenweise zurückerstatten zu lassen. Tritt der Besitzer des eigenen Instruments aus dem Verein aus, ist derselbe dazu verpflichtet, sein Instrument gegen den jeweiligen Wert dem Verein zu überlassen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Wertes entscheidet der jeweilige Kreisdirigent der Posaunenchöre.

Schon sieben Tage später, am 19 Juni berichtet Pfarrer Schneider, dass die acht, bei der Firma David in Bielefeld bestellten Instrumente, in Herscheid angekommen sind. Er bezeichnet sie als vorzüglich und tadellos und erwähnt, dass zur Zeit, unter der Leitung des Dirigenten Wilhelm Kerstein fleißig geübt wird. Weiter schreibt der Herscheider Pfarrer, dass noch zwei kleinere Instrumente bestellt wurden. Er bittet die Mitglieder der Gemeinde freundlichst darum, dem jungen Verein zu helfen, damit ihm auch diese Sorge genommen werden kann.  Die nächsten Aufzeichnungen findet der Leser des Sonntagsblattes dann im August 1921, in dem über den ersten öffentlichen Auftritt berichtet wird. Anlass war die Rückkehr des Herscheider Karl Lienenkämper aus sechsjähriger, russischer Kriegsgefangenschaft. Der Text lautet: Am verflossenen Montag [08-08-] trat der Posaunenchor zum ersten Mal in die Oeffentlichkeit, um dem Kriegsgefangenen Karl Lienenkämper von der Hardt einen Willkommensgruß zu entbieten. Nach einigen Begrüßungsliedern, die den Gefühlen des Dankes gegen Gott Ausdruck gaben, sprach der Ortspfarrer ein kurzes Wort über 1. Sam. 7,12: Bis hierher hat der Herr geholfen. Darauf gedachte der Chor der ewigen  Heimat, die wir alle erstreben sollen und erreichen müssen, und gedachte in  einem Schlußlied der verstorbenen Mutter des Heimkehrers, der leider die Freude des Wiedersehens hier auf Erden versagt blieb: Christus der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn, so klang es weihevoll  durch die Dunkelheit des heraufziehenden Sommerabends. Und sicherlich stand der Sohn, der mit sinnendem Blick in die Dunkelheit blickte, im Geiste vor dem Sarge seiner Mutter, die am 13 Mai 1918 aus diesem Heim herausgetragen wurde. Wohl uns Christen, daß wir auch angesichts des Leids den Trost ewigen Lebens in Christo haben. – Schnell wie der Chor gekommen, ging er wieder heim, doch nicht ohne einen freundlichen Einladungsruf an alle zurückzulassen. In fröhlicher Marschmusik hallte es durchs liebliche Tal drunten und durchs halbwache Dorf oben.

Im Laufe der folgenden Jahre gewann der Posaunenchor an Bedeutung und die Bläser gestalteten zahlreiche Gottesdienste und andere Veranstaltungen mit. Schriftliche Aufzeichnungen belegen, dass der Posaunenchor am Silvestertag an verschiedenen Stellen in der Gemeinde Neujahrslieder spielte. Dann folgte die Zeit des Nationalsozialismus und brachte für die Posaunenchöre erhebliche Probleme mit sich. 1933 mussten sie der Reichsmusikkammer beitreten um überhaupt öffentlich auftreten zu dürfen. Drei Jahre später wurden die konfessionellen Posaunenchöre dann aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen und ein öffentliches Engagement war ab da überhaupt nicht mehr möglich. Der Herscheider Posaunenchor löste sich vermutlich um das Jahr 1935 auf, denn die letzten Informationen finden sich im Sonntagsblatt im Jahr 1934. In dem Jahr wirkten die Blechbläser im August bei der Einweihung des Martin-Luther-Hauses und ein letztes Mal im Oktober beim Erntedankfest mit.

Zwischen 1951 und 1952 war es nochmal Wilhelm Kerstein, der den Posaunenchor wieder aufleben ließ. Im Nebel der Geschichte verloren gegangen ist das genaue Gründungsdatum, jedoch lässt sich der Zeitraum gut eingrenzen. So wird im Protokollbuch der Presbyterversammlung am 06.12.1951ein Posaunenchor erwähnt. Im Oktober 1952 schreibt der Lehrer und Organist Karl Sauer, in der „Festschrift zur 400 jährigen Wiederkehr der Einführung der Reformation Evangelische Kirchengemeinde Herscheid“: „Der jüngste Pflänzling im Mutterboden der Kirche ist der Bläserchor. Eine gewisse Beziehung hat er sicherlich zu den mittelalterlichen Stadt und Turmbläsern. Doch ist er als Klangmittel erst in neuerer Zeit wieder auf den Plan getreten, während Orgel – und Chortradition eigentlich nie eine völlige Unterbrechung erfahren hat. Mit seinem tongewaltigen Instrumenten leistet der Bläserchor seinen Dienst mit besonderem Erfolg im Freien, aber auch dem angestammten Musizieren in der schützenden Kirche ist er nicht abhold. Die jungen Mitglieder sind nicht nur mit Begeisterung sondern auch mit ernstem Fleiß bei der Sache. Der Bläserchor pflegt vor allem Choralmusik und trägt damit erheblich zur musikalischen Förderung der Gemeinde bei. Bei besonderen Gelegenheiten wirkt er auch im Gottesdienst mit. Da gelingt es dann, durch wechselnde Begleitung des Gemeindegesangs den Farbenkranz der Choralmusik durch den Bläserton erfreulich zu bereichern. So bemühen sich in Herscheid alle in der Musik Tätigen, viel schöne Kirchenmusik, vor allem auch die unserer Zeit, zum Erklingen zu bringen“. Diese Musikanten waren es auch die als erste an Heiligabend, an verschiedenen Stellen in der Gemeinde Weihnachtslieder spielten. Eine Tradition, die  später vom Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr übernommen wurde und bis heute Bestand hat. Als am 10. August 1955 der Dirigent Wilhelm Kerstein im Alter von 78 Jahren verstarb, stellte dieser wiedergegründete Posaunenchor seine Arbeit ein.

Nach drei Jahrzehnten ohne die Klänge eines Posaunenchores, regte im April 1982 der damals in Herscheid amtierende Pfarrer Hartmut Ebmeier, eine Neugründung an. Am 11. Juli 1982 hatten die Blechbläser, unter der Leitung von Ernst Milewski, ihren ersten Auftritt, bei einem Waldgottesdienst auf der Nordhelle. Aus gesundheitlichen Gründen legte der Dirigent 1995 seine Arbeit nieder und im Januar 1996 trat Ulrike Mantel die Nachfolge an. Nach einer wechselvollen Geschichte mit Unterbrechungen, kann der aktuelle Posaunenchor im nächsten Jahr sein 40 jähriges Jubiläum feiern.

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