Heimatliebe – Heimatschutz
Nr. 10 Donnerstag, 27. Oktober 1932 79.Jahrgang
Erwerbslose bauen ein Planschbecken
von Wilhelm Lienenkämper, Herscheid
Seit einiger Zeit besitzen die Bewohner des oberen Ahetales ihren neuen Badeteich. Durch die Herrichtung dieses Werkes war es möglich, mancherlei Bedürfnissen gerecht zu werden. Einmal wurde einer Anzahl von arbeitslosen Menschen für kurze Zeit Beschäftigung gegeben, zum anderen ist der sportfreudigen Jugend künftig die Möglichkeit geboten, sich Sommer und Winter draußen zu tummeln und den Körper zu stählen. Zum dritten wurde ein nicht unwichtiger Nebenzweck erfüllt: Die Knüpfung einer Verbindung zwischen Arbeitsdienst und Heimatpflege. Die Vorgeschichte des Baues ist kurz. Die Anregung ging von der Jugend selbst aus, sie fand bei der Amtsbehörde und der Vertretung Verständnis und Förderung und durch das Entgegenkommen des Eigentümers und die Mithilfe der Arbeiter konnte das Werk vollendet werden.
Badeteich und Planschbecken liegen im Bereich des Wasserspeichers des ehemaligen Oberen Versehammers. Es ist beabsichtigt, die Umkleidezellen in dem Hammergebäude anzulegen. Ferner wird eine Weißdornhecke als natürlicher Abschluß gegen die Straße gepflanzt, an den Bäumen und am Hammer werden Nisthölen aufgehängt, um zugleich ein Beispiel praktischen Vogelschutzes zu geben. Am Tage der Einweihung hatten sich zahlreiche Bewohner des Ahetales, die Arbeiter, die Schule Schönebecke und Vertreter der Amtsverwaltung und- vertretung eingefunden. Der kulturgeschichtliche Boden der das neugeschaffene Werk trägt, war richtunggebend für die Gestaltung des Programms. Die kleine Feier vollzog sich in folgender Weise: Bürgermeister Dames begrüßt die Anwesenden. Sein besonderer Gruß gilt den Arbeitern, die in treuer Arbeit zur Fertigstellung des Teiches beigetragen haben. Er beglückwünscht die Bewohner des Ahetales zu dem neuen Werk, das der Jugend Gelegenheit gibt, Leib und Seele in Gottes freier Natur zu stärken. Seine Worte enden mit dem Ausdruck der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Heimat und Vaterland.
Gemeindevorsteher Alberts überbringt den Gruß und Glückwünsche der Gemeindevertretung und gibt seiner Freude Ausdruck darüber, dass man beabsichtigt, auch in der heimischen Gemeinde dem Schwimmsport Beachtung zu schenken. Er spricht die Hoffnung aus, dass mit dem Werke nur Frohsinn und Freude verbunden sein möge, dass kein Menschenleben der Tücke des Schicksals zum Opfer falle.
Fabrikant Schulte begrüßt als Vertreter der Ortschaft Verse und als Besitzer von Grund und Boden die Versammelten. Er bringt zum Ausdruck, dass er gern sein Eigentum der guten Sache zur Verfügung gestellt habe, gelte es doch unsere Jugend zu kräftigen für den Kampf ums Dasein, der heute so hart ist. Seine weiteren Worte sind der Geschichte des Osemundhammers gewidmet, sie klingen aus mit der Hoffnung, dass alle Wünsche, die an die Errichtung des Teiches geknüpft sind in Erfüllung gehen.
Lehrer Lienenkämper: Wir befinden uns an historischer Stelle. Zwar sind keine Entscheidungsschlachten hier geschlagen worden, aber Ereignisse von nicht minder wichtiger Bedeutung haben sich auf diesem Boden abgespielt. Die älteste Industrie der Heimat, die Osemundverarbeitung, hatte in unserem Tale eine Pflegestätte. Nach urkundlichen Quellen haben 5 Hammerwerke an den Ufern der Ahe gestanden und das weltbekannte Osemundeisen hergestellt. Unser Hammer, vor dessen altem Gemäuer wir heute stehen, mag damals versteckt in Busch und Wald gestanden und einer Bergschmiede geglichen haben, von deren Geschick unser Heimatdichter Fritz Linde uns etwas erzählt.
Schüler Eugen Grüber, Willi Scharpe, Hugo Hurst:
Dai Biargschmiett. Aus „Dürch Hien un Strüke“ erschienen im Selbstverlag des Verfassers.
Es waren lustige Gesellen, die Osemundschmiede, ihr Hammer war Mittelpunkt des geselligen Lebens. Wer über Land reiste, holte sich dort Feuer für die Pfeife und erfuhr zugleich, was sich an Neuigkeiten zugetragen hatte.
Die Woche war mit Arbeit voll ausgefüllt. Jeden Tag gab es Erbsensuppe, nur Sonntags Kirnemilchbrei, und wenn es 365 mal Erbsensuppe gegeben hatte, war das Jahr um. Zwei hohe Feiertage brachten Abwechslung in das Hammerschmiedeleben: Affentrecken und Abrechnen am 1. Mai. Dann gab es Eierkuchen und Krugmannsschnaps aus Meinerzhagen. Wenn dann über die Politik gesprochen wurde, gingen die Wogen der Erregung hoch, und die schwarzen Männer sangen laut, dass es durch die stillen Gründe hinauf klang, dass Lied von der Freiheit.
Schülerchor: Freiheit die ich meine …
Wer die Hammerschmiede zuviel fragte, war nicht gut gelitten. Neugierigen Besuchern wurde „einer unter die Weste geknöpft“. Eine besondere Freude machte es den schalkhaftigen Schmieden, wenn sie jemand einen Schabernack spielen konnten. Von einem solchen Erlebnis eine Geschichte:
Schüler Gustav Kaufmann: Wecker hütigendages en bietken Liefweh hiat, springet schnuerstracks tom Dokter. Frögger besunnten siek de Lüe es äist doüewer, un me probäierte et es met nem Köpchen voll Flierntee. Wann dat nit holp, drunk me en Schnaps van Wiameu un Wakolerten, un wannt dann noch nit batte, ging me es ne Reise inen Hamer, do gaffet sieker Rot. Des felstigen Sinnes was ouk Hamer Paiter. Hei klate äines Dages diam Bartöümen üewer Gicht inen Fäuten. „Dann löß du die am besten en Hälfken huallen“, sache de Bartöüme, un den Hamerjunge muche met diar Pulle soupen. Päiter drunk sein Hälfken liech un schlaip in diar Hamerstuewe in. Nu harr Päiter ower schlechte Hamerschluffen, un de Täiwen käiken wüar rut. Dat soch de Bartöüme, un in diam selben Moment kam iame in undüenigen Döün in dian Sinn. Hai schlaich Füer, nahm dian Schwamm un lache en Stück op de groute Taiwe. Dai Schwamm küllere gehörig un brannte dürch dian Täiwennael. Paiter harr bis dohien van diar ganzen Geschichte nix emiarket. Ower nu sprunk hai fär op, lait en Bölk un sache: „ Jek glöüwe, et gäit biatter, et hiat son harren Schlag in de Knuaken egafft.
1592 war der Hammer Eigentum des Cyriakus zur Verse, der sein Gut Ende des 16. Jahrhunderts an die Kirche zu Herscheid übertrug. Seitdem hieß der Hammer Kirchenhammer. Infolge der für die Osemundindustrie ungünstigen Verhältnisse im 19. Jahrhundert verkaufte die Kirche das Gebäude 1835 an Johann Diedrich Baukhage zu Friedlin. 1852 erstand der Landwirt und Reckschmied Diedrich Wilhelm Schulte den Hammer, und seit dieser Zeit ist er ununterbrochen im Besitz der Familie Schulte zur Verse.
Sprechchor:
„Kein Tropfen Wasser darf uns ungebraucht verfließen.
Treibt er den Hammer nicht, so muß er Garn begießen
Und jeder unter uns hat etwas Andres vor:
Der eine Bleicherei, der andre Stahl und Eisen,
der dritte unternimmt in ferne Länder Reisen,
der vierte lässet Samt und andre Zeuge weben.
Kurz, wir bemühen uns, viel Menschen Brot zu geben“
So rühmt man schon im 18. Jahrhundert den Gewerbefleiß der märkischen Heimat. Die Worte passen sowohl für die Menschen, die in diesem Hammer arbeiten, als auch auf die Arbeitsstätte selbst, die nie in ihrem Leben müßig gestanden hat. Lange Jahre hindurch wurden Knochen unter ihrem Dache gestoßen, danach wurde das Gefälle zum Treiben einer Dreschmaschine ausgenützt. 1910 entstand darin ein kleiner Betrieb zur Herstellung von Fassonschrauben und Muttern. Im Weltkriege wurden Zeltstockgarnituren angefertigt, zuletzt wurde Oel in dem Hammer gepresst. Seitdem heißt der Teich Oelmühlenteich und das Gebäude Oelmühle. Der Krieg ging vorüber, und die Nachkriegszeit brachte uns nach einer Scheinblüte von Handel und Wandel diese traurige Zeit. An allen diesen Wechselfällen des Daseins, an Aufschwung und Niedergang, an Freude und Leid nahmen Hammer und Menschen gemeinsam teil und so knüpfte sich durch die Jahrhunderte hindurch ein Band zwischen fühlendem Herzen und totem Stein. Heute stehen wir wieder vor der Uebergabe zu einer neuen Zweckbestimmung: Werkzeug und Mithelfer zu sein bei der Erziehung eines gesunden Geschlechts. Starke und widerstandsfähige Jungs und Mädel wollen wir heranziehen. Sie sollen gleichen den Bäumen im Walde, die, obgleich sie der Wind tüchtig schüttelt, ihre Wurzeln doch tief in die Erde schlagen.
Schüler Karl Hurst: Schwing mir die Buben …
In der Stadt hat die Jugend Badeanstalt und Sportplatz zur Verfügung, auf dem Lande fehlen solche Einrichtungen vielfach. Darum begreifen wir die Freude der Kinder über das jetzt vollendete Werk.
Schüler Hugo Lienenkämper: Frögger wussten vie nüh, wo vie im Sommer hingoen sullen tam Baden. Jetzt freuet vie uns alt op kiente Johr, wann vie de Badebuxe anteien kunnt. Jek glöüwe, vie wett noch alle Waterratten. Wann vie dann im Dieke sind, wellt vie tam Andenken an die flietigen Lüh, wecker dian Diek emaket het, drei Koppsprünge maken. Et es recht guet, dat Hans Schulte op dian Infall ekommen es.
Schülerin Aenne Schröder: Ower ouk im Winter wellt vie wat van diam Dieke hewen. Dann schnallt vie dai Schlittschauh unger un schlündert. Vie gott nit eher häime, bit vie ne roue Nase het. Am andern Dage got vie dian ganzen Nomidag wier op dian Diek. Et es recht schöün van ink, dat iat uns dian Badediek emaket het.
Schülerin Friede Stahlschmidt: Und dann noch wat. Ueme dian Diek küemet ne Dörenhie, dat es wat anderes at dai ollen Lattentüne, wecke me nu so sake süht. Un an dai Böüme un an dian Hamer hänget Schultenöüme Nisthöhlen füer dai Maisen und Rotschwänze. Dat giet en Plosäir. Un de Hauptsake: An diar ganzen Verse giet et keine Rupen me im Gaten.
Was fleißige Hände hier geschaffen haben ist Dienst an der Heimat. Was uns heute vereinigte, war ein Stück Geschichte der Heimat. Was wir heute geloben, ist die Treue zur Heimat. Darum soll unsere Feierstunde ausklingen mit einem Liede auf die Heimat!
Schülerchor:
Kein schöner Land in dieser Zeit
Als hier das unsre weit und breit.
Wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit.
Daß wir uns hier in diesem Tal
Noch treffen soviel tausendmal,
Gott mag es schenken, Gott mag es lenken, er hat die Gnad.
Gemeindevertreter Brünger nahm das Wort zu dem Umtrunk, der jetzt gereicht wurde, dankte der Jugend für ihre Darbietung, wünschte ihr eine frohe Zukunft und brachte ein Hoch auf die Jugend, auf Heimat und Vaterland aus.
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